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Renaturierung von kleinen Fließgewässern
Unter Renaturierung versteht man die Wiederherstellung von naturnahen Lebensräumen. Die Rekultivierung dagegen ist die Wiederherstellung eines durch Eingriffe des Menschen gestörten Gebietes und die Schaffung einer neuen Kulturlandschaft.
Das im Süden des Kaolinreviers als Höhenrücken sich erstreckende Naabgebirge entwässert über kleine Fließgewässer nach Nordosten in den Ehenbach. Da der Ehenbach als Vorfluter nördlich der Tagebaue fließt, wird die natürliche Verbindung durch die Tagebaue unterbrochen. Das hat eine erhebliche Beeinträchtigung des Wirkungsgefüges der Fließgewässer zur Folge. Es wird deshalb versucht, durch Renaturierung diese Beeinträchtigung zu mildern.
Nürnberger Landstraße mit den Orten Hirschau und Schnaittenbach auf einer Karte von 1769.
Der Kartenausschnitt zeigt den Zustand, bevor die Tagebaue angelegt wurden (StAA, Plansammlung17/3).
Verlauf des Weitzendorfer Baches und Mündung in den Ehenbach
Blau und Grün: ursprünglicher Verlauf
Rot: heutige Umleitung
Das Sekundärbiotop
Durch die Rohstoffnutzung seit 1833 sind riesige Mengen an Quarz, Feldspat und Kaolin abgebaut worden. Das Massendefizit kann nicht mehr ausgeglichen werden. Die ursprüngliche Kulturlandschaft ist verschwunden und es hat sich ein Sekundärbiotop gebildet.
Sekundärbiotope können grundsätzlich überall dort entstehen, wo der Mensch durch sein Wirtschaften und Handeln Oberflächen verändert und anschließend der freien Entwicklung überlässt. Im Besonderen gilt dies für den Rohstoffabbau in der Hirschau – Schnaittenbacher Senke.
In den ausgedehnten Gruben verbleiben bereits während der laufenden Abbautätigkeit immer wieder Flächen, die über längere Zeit, teilweise mehrere Jahre, mehr oder weniger ungestört sich selbst überlassen werden. In manchmal zufällig entstehenden Pfützen und Kleinsttümpeln oder im Bereich gezielt angelegter Rückhaltungen sammelt sich zeitweise oder dauerhaft Wasser. Dazwischen findet man unbewachsene oder nur von wenigen Pflanzen besiedelte sandige Oberflächen.
Solche Strukturen werden als Pionierstandorte bezeichnet. Sie werden von sogenannten Pionierarten besiedelt, die derartige wenig bewachsene Lebensräume innerhalb kürzester Zeit erobern können. Dabei ist dieser Lebensraum von Extremen gekennzeichnet. Die Oberfläche kann sich im Sommer sehr stark aufheizen, die Böden sind äußerst nährstoffarm, und es bieten sich kaum Deckungsmöglichkeiten und Verstecke.
Pionierstandorte können deshalb zunächst nur von wenigen ausgesprochenen Spezialisten besiedelt werden, die mit ihrer Lebensweise an die extremen Bedingungen optimal angepasst sind. Andererseits benötigen diese Arten solche schwierigen Standortbedingungen, weil sie auf dicht bewachsenen Oberflächen gegenüber anderen Arten nicht konkurrenzfähig sind.
Die Kreuzkröte (Bufo calamita)
Eine ausgesprochene Pionierart in den Tagebauen ist die Kreuzkröte, eine in der Roten Liste Bayerns als stark gefährdet eingestufte Amphibienart. Sie legt ihre Laichschnüre auch in völlig unbewachsene, neu entstandene Gewässer ab. Selbst unscheinbare Pfützen am Rande von Fahrstraßen werden zur Fortpflanzung genutzt. Die Kreuzkröte ist auch sonst in ihrer Lebensweise optimal an den Pioniercharakter ihres Lebensraums angepasst. Viele Amphibienarten sind ihr Leben lang an das Gewässer gebunden, in dem sie geboren wurden. Die Kreuzkröte hingegen ist sehr mobil und nicht laichplatztreu und kann auf diese Weise neu entstandene Gewässer innerhalb kürzester Zeit finden und besiedeln.
Die Kreuzkröte ist außerdem vorwiegend nachtaktiv, und gräbt sich tagsüber in die lockeren Substrate der Kaolingruben ein. Damit ist sie sommerlicher Hitze nicht ausgesetzt. Bei einer tagaktiven Lebensweise wäre die Kreuzkröte außerdem Feinden schutzlos ausgesetzt, da der weitgehend bewuchsfreie Lebensraum wenig Deckung bieten würde.
Eine weitere Anpassung besteht darin, dass der Entwicklungszyklus vom Ei bis zum außerhalb des Wassers lebensfähigen Jungtier relativ kurz ist. Da die meist kleinen, flachen Laichgewässer vor dem Abschluss dieser Entwicklung gelegentlich austrocknen, werden nach neuerlichen Niederschlägen erneut Eier abgelegt. Aufgrund der ausgedehnten Flächen mit optimaler Ausprägung des Lebensraums kann die Kreuzkröte als Charakterart der Kaolintagebaue in der Hirschau-Schnaittenbacher Senke bezeichnet werden.
Larven der Kreuzkröte und Kreuzkröte
Steckbrief Kreuzkröte
Färbung und Zeichnung: Rötlich, gelbbraun, grau oder oliv; sicherstes Kennzeichen ist die schwefelgelbe bis weißliche Rückenlinie. Die Unterseite ist schmutzig-weiß, Brust und Bauch mit dunkelgrauem Fleckenmuster der größte Teil des Körpers ist mit Drüsenwarzen überzogen; die Kaulquappen sind durch den grauen Kehlfleck unverwechselbar.
Größe: Die Kreuzkröte ist die kleinste der heimischen Kröten (Rumpflänge 5 – 6 cm); extrem kurze Hinterbeine stellen eine Anpassung an die überwiegend laufende Fortbewegung dar.
Lebensraum: Typischer Tieflandbewohner; offene, vegetationsarme oder –freie Flächen mit grabbarem Substrat; unbewachsene flache, im Sommer meist austrocknende Kleingewässer bis Pfützen; Spätlaicher (ab Anfang – Mitte April); Überwinterung in 20-80 cm, teilweise bis 180 cm tiefen Gängen in sandigen sonnenexponierten Böschungen.
Lautäußerungen: Die auffälligen knarrenden Rufe der Männchen sind bis einen Kilometer weit zu hören und stellen die lautesten Stimmen unter den einheimischen Amphibien dar.
Gefährdung und Schutz: Nach der Roten Liste Bayerns als stark gefährdet eingestuft; bedroht durch Lebensraumverlust; die natürliche Sukzession stellt einen der Hauptgefährdungsfaktoren dar; deshalb müssen immer wieder neue unbewachsene Lebensräume zur Verfügung stehen, was bei sich fortsetzender bergbaulicher Tätigkeit gegeben ist.